Blutegeltherapie: Wiederentdeckung einer „lebendigen Medizin“

von | 1. Januar 2019

Ist von Blutegeln die Rede, denken die meisten Menschen an: glitschig, schwarz, blutrünstig und einfach ekelhaft. Dabei sind Blutegel genauer betrachtet vielfarbig gemustert, elegante Schwimmer, völlig ungefährlich, gar nicht eklig – und vor allem hilfreich.

Das Wort „Egel“ stammt im übrigen vom griechischen Wort „echis = kleine Schlange“ ab und hat nichts mit dem deutschen Wort Ekel zu tun. Dhanvantari, der indische Gott des Ayurveda, trägt einen Blutegel in einer seiner vier Hände, und im Englischen wurden die Heiler des Mittelalters als „leecher“ („leech“= engl. für „Blutegel“) bezeichnet. Der wissenschaftliche Name des medizinischen Blutegels „Hirudo medicinalis“ wurde 1785 von Carl von Linné vergeben.

Lange Zeit schien diese Methode in Vergessenheit geraten zu sein oder galt als überholt und geradezu „mittelalterlich“. Inzwischen kehrt jedoch die Erkenntnis zurück, dass Blutegel bei vielen Beschwerden sehr wirkungsvoll helfen können. 

Die Blutegeltherapie wird inzwischen auch naturwissenschaftlich genauer erforscht und längst ist belegt, dass die Heilwirkung der Egel nicht auf mittelalterlichem Aberglauben beruht, sondern auf einer besonderen Wirkstoffzusammensetzung der Substanz die während des Saugens abgegeben wird.

Wie wirkt die Blutegeltherapie?

Untersuchungen zur Zusammensetzung haben zur Entdeckung von mehr als 30 darin enthaltenen Substanzen geführt. Im Grunde handelt es sich bei den Blutegeln um eine biologische Apotheke – eine lebendige Medizin. Sie wirken hervorragend bei akuten und chronischen Beschwerden. 

Eglin und Hirudin aus diesem Wirkstoffcocktail sind die Substanzen, die bisher am intensivsten erforscht wurden. Eglin ist ein Stoff, der die Aktivität entzündungsauslösender Enzyme blockiert. Auf diese Weise wirkt er Entzündungsprozessen entgegen. Eine weitere wertvolle Eigenschaft des Eglin ist seine schmerzstillende Wirkung, die für viele Patienten eine besonders wertvolle Hilfe darstellt. Hirudin hemmt die Blutgerinnung indem es den Gerinnungsfaktor Thrombin in seiner Wirkung beeinträchtigt, was sich sehr positiv auf die Fließeigenschaft des Blutes auswirkt. 

So verhindert Hirudin die Bildung von Thrombosen und hilft bestehende Thromben aufzulösen. Eine Emboliegefahr kann deutlich verringert werden. Zudem wirkt es gefäßkrampflösend, was seine entstauende Wirkung erklärt. Weiter fördert Hirudin die Bildung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) ebenso wie deren Aktivität. Da Leukozyten eine ganz wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern spielen, entlastet eine erhöhte Anzahl sowie eine gesteigerte Tätigkeit das Immunsystem erheblich.

Weiter beschleunigt Hirudin zudem auch noch den Lymphfluss, wodurch die in der Lymphe enthaltenen Schadstoffe schneller zur Ausscheidung gebracht werden. Eine natürliche Entgiftung des Körpers wird unterstützt.

Welche Blutegel werden zur Therapie verwendet?

Therapeutisch eingesetzte Blutegel werden nicht einfach in der freien Natur gesammelt, sondern speziell zu diesem Zweck gezüchtet. Medizinische Blutegel sind in Deutschland ein rezeptfreies, apothekenpflichtiges Fertigarzneimittel (PZN 6904949).

Die Biebertaler Blutegelzucht ist auf die Aufzucht therapeutischer Blutegel spezialisiert und bietet diese als „Medirud Biebertal“ für Theraputen an. Diese Egel werden unter kontrollierten Bedingungen (gem. GMP-Richtlinien = europäische Richtlinien für die „gute ArzneimitSorrytelherstellungspraxis“) aufgezogen. Eine Übertragung pathogener Bakterien in der Therapie ist deshalb nicht zu befürchten.

Wild lebende Blutegel stehen in Deutschland übrigens unter Naturschutz und dürfen nicht gefangen werden.

Indikationen/Einsatzmöglichkeiten allgemein

Der Einsatz der Blutegel ist also vielfältig, einige besonders gut geeignete Anwendungsgebiete sind

  • Gelenkarthrosen (Knie, Daumensattel)
  • Gelenkentzündungen, Rheuma (rheumatoide-) Arthritis
  • Sehnen-/Sehnenscheidenentzündungen (Tennisarm/Golferarm)
  • Rückenschmerzen (Bandscheibenvorfall, Muskelverspannungen)
  • Hörsturz und Tinnitus

Anzahl und Abstände der Behandlungen sind von den entsprechen Beschwerden abhängig. Aus Erfahrung wird für ein gutes Ergebnis mit zwei bis vier Behandlungen im Abstand von vier bis sechs Wochen gerechnet.

Besonders bewährt bei der Behandlung der Kniearthrose (Gonarthrose)

Die empfohlene Therapie der Gonarthrose besteht sehr oft in der Einnahme von entzündungshemmenden Medikamenten aus der Gruppe der NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika, z. B. Diclofenac, Voltaren, Ibuprofen). Vor allem bei der Langzeittherapie kann es dabei zu Nebenwirkungen wie Magen- und Darmproblemen sowie Leberschäden kommen. Als alternative Behandlung haben sich die Blutegel hier besonders bewährt. Die Wirksamkeit konnte in mehreren Studien anhand von validierten Schmerz‐ und Funktionsfragebögen belegt werden (Michalsen et al. 2001; Michalsen et al. 2003; Andereya et al. 2008). Neben verbesserter Beweglichkeit und deutlicher Schmerzreduktion konnten viele Patienten auf nebenwirkungsreiche Medikamente verzichten.

Weniger bekannt, die systemische oder Umstimmungstherapie

Bei den bisher genannten Beschwerden werden die Blutegel in der Regel auf betroffene schmerzhafte oder entzündete Hautareale gesetzt. Für die Behandlung einiger chronischer Erkrankungen die sich lokal nicht effektiv behandeln lassen ist die Betrachtung des Gesamtorganismus wichtig.
Diese Art der Blutegelbehandlung ist weniger bekannt und ist eine systemische Therapie. Hauptsächlich findet sie Anwendung bei

  • Bluthochdruck
  • Stoffwechselstörungen
  • Krampfadern
  • Herzinfarkt- und Schlaganfallprohylaxe
  • Für eine Umstimmungstherapie wird mit fünf bis sechs Behandlungen im Abstand von ein bis zwei Wochen gerechnet.

Behandlungsablauf

Die Behandlung sollte nur von einem erfahrenen Therapeuten durchgeführt werden, der entsprechende Zuchtegel verwendet. In einem ausführlichen Aufklärungsgespräch wird über Vor- und Nachbereitung der Behandlung gesprochen.

Das Anbeißen der Egel selbst wird oft als feiner Stich empfunden, anschließend kommt es zu einem leichten Brennen, ähnlich dem Berühren einer Brennnessel. Nach einigen Minuten ist die Behandlung nahezu schmerzlos. Je nach Ansatzstelle saugen die Egel zwischen 30 Minuten und zwei Stunden.

Durch die gerinnungshemmende Wirkung der Egelsubstanzen kommt es noch für acht bis zwölf Stunden nach dem abgefallen der Egel zu einer Nachblutung mit einem Blutverlust von 20 bis 40 Milliliter (pro Egel). Nach der Behandlung wird daher ein dicker Saugverband angelegt, der bis zum nächsten Tag getragen wird.

Die Blutegeltherapie ist allgemein sehr gut verträglich. Häufige und normale Nachwirkungen sind ein lokaler Juckreiz und Rötung an den Bissstellen. Stärkere Reaktionen können Schwellung und Rötung des Behandlungsareals sein, die sich nach einiger Zeit wieder zurückbilden. Die Nachwirkungen können zwar zeitweilig störend oder einschränkend sein, sind aber nicht für den Körper schädigend. Anders als dies bei viele Arzneimittelnebenwirkungen der Fall ist.

Kontraindikationen

Nicht angewendet werden kann die Blutegeltherapie bei Menschen mit angeborener Störung der Blutgerinnung („Bluterkrankheit“) oder bei Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten aus der Gruppe der Cumarin-Derivate (z. B. „Marcumar“).

Zusammenfassung

  • Die biologisch aktiven Substanzen der Blutegel
  • hemmen die Blutgerinnung und können Thromben auflösen
  • lindern Schmerzen
  • fördern die Durchblutung und „putzen“ die Blutgefäße
  • hemmen und beseitigen Entzündungen
  • regen den Lymphfluss an
Britta Hils

Britta Hils

Heilpraktikerin, Praxis für Chinesische Medizin & Blutegeltherapie

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