Der Umgang mit Schmerz in der Eutonie

von | 1. Januar 2019

Viele Menschen mit anhaltenden oder chronischen Schmerzen neigen dazu, Bewegung zu vermeiden und entwickeln eine Angst davor, sich zu bewegen. Allein der Gedanke an Bewegung sowie die Erinnerung an eine Bewegung, die zu den Schmerzen geführt hat, kann Schmerzen verursachen.

Ebenfalls kann die visuelle Wahrnehmung der Bewegung eines anderen Menschen zum eigenen Schmerzerleben führen, da beim Zusehen der Schmerz empfunden wird, der bei der eigenen Bewegung entstehen würde. Somit vermeiden viele Schmerzpatienten, sich zu bewegen, was zu mehr Unbeweglichkeit führt. Alles wird noch mühsamer, Medikamente sind häufig unwirksam, es entsteht ein Teufelskreis. 

Durch mangelnde Bewegung verfestigt sich die Muskulatur und das Bindegewebe verklebt. In diesem Teufelskreis kann ein zunächst flüchtiger Schmerz unerträglich werden und sich bis zum chronischen Schmerz entwickeln, der, über einen längeren Zeitraum erlebt, sogar eine Depression mit sich bringen kann. Das Selbstvertrauen sinkt, Kontakte zu Freunden nehmen ab, viele Aktivitäten werden aufgegeben und die Angst, „funktionsunfähig“ zu werden, steigt, was häufig mit Handlungsunfähigkeit einhergeht.  

Das Leben dreht sich nur noch um den Schmerz! 

Wie kann ein Mensch aus dieser Abwärtsspirale wieder herauskommen und zurück zu mehr Lebensqualität und Lebensfreude finden? Genau hier setzt die Eutonie an. Eutonie bedeutet Wohlspannung. Hierbei ist sowohl die Muskelspannung als auch die nervliche Anspannung gemeint. Wie kann dieser Spannungsausgleich erreicht werden? Eutonie beginnt damit, die Wahrnehmung auf den eigenen Körper zu lenken. Die/der Übende berührt z. B. die Haut mit warmen Kirschkernkissen, Filz- oder Tennisbällen, fühlt die Berührung und erlebt dabei die eigene Körpergrenze, spürt eine Schicht tiefer zu den Faszien und weiter zu den Knochen. Dieses aufmerksame Hinspüren leitet die/der Eutoniepädagogin/e in kleinen Schritten an. Dadurch wird der eigene Körper bewusst erlebt. 

Den Körper bewusst wahrzunehmen und zu fühlen, zu spüren, wie die Knochen gelenkig miteinander verbunden sind, wo die eigenen körperlichen Grenzen sind und wie sich schmerzfreie Bereiche anfühlen, hilft den Forschergeist zu wecken, sich auf Neues einzulassen und wieder Vertrauen in den eigenen Körper zu bekommen. Dabei lernt jede/r Übende, sich so zu bewegen, wie es die eigene körperliche Verfassung zulässt. Schmerzfreie Bewegungen zu entdecken macht Mut und Lust, Alternativen auszuprobieren. Die Übenden finden wieder Freude an der Bewegung, Vertrauen zu sich und vor allem den Mut, in Bewegung zu kommen. 

In der Eutonie geht es darum, sich seiner selbst gewahr zu werden und sich auf das gegenwärtige Geschehen einzustellen. Der Körper ist unser Lehrmeister. Was wir brauchen,  ist ein wacher, unvoreingenommener Geist, der sich auf das Wagnis des Spürens einlässt. 

Was ist möglich an Bewegung – trotz Schmerzen?

Gibt es eine Position oder eine kleine Bewegung, die entlastet und gut tut? Die Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die Bewegungen, die schmerzfrei oder schmerzarm möglich sind, hilft, neue Hoffnung zu wecken, und macht unabhängiger. Damit dies geschehen kann, braucht es eine vertrauensvolle Atmosphäre, Zeit und Ruhe. 

In der Eutonie wird häufig im Liegen auf einer Matte am Boden geübt. Diese nicht alltägliche Position bietet die Gelegenheit, aus den Alltagsmustern auszusteigen und neue Erfahrungen zu sammeln. Liegen sehr viele Spannungen in den Gewebeschichten vor, werden Materialien wie zum Beispiel Filzbälle unter die entsprechenden Körperteile gelegt, was zu Beginn durch den Druck unangenehme Empfindungen hervorrufen kann.  

Diese lösen sich meist durch gerichtete Aufmerksamkeit und die Bemühung, sich innerlich darauf einzustellen, sich auf dem Material niederzulassen und das Gewicht abzugeben.  

Durch die Anleitung der/s Eutoniepädagogin/en wird ein guter Umgang mit diesem Druck geübt. Das bewirkt eine bessere Durchblutung und führt zu einem Tonusausgleich zwischen dem schmerzhaften Bereich und den nicht schmerzenden Körperbereichen. Dadurch kann sich die Empfindung verändern und der Schmerz nachlassen.

Austausch in der Gruppe

In Gruppenkursen gibt es nach der Stunde immer einen Austausch über das Erlebte. Hier kann jede/r etwas von den eigenen Erfahrungen berichten. Dabei stellt sich häufig heraus, dass Person A eine komplett andere Empfindung haben kann als Person B – beides ist möglich, es gibt kein Richtig und kein Falsch – die Eutonie schreibt nichts vor und hat keinen Leistungsanspruch. Das sind wichtige Erfahrungen! 

Jede/r soll ins Fühlen und Wahrnehmen kommen und spüren, was der eigene Körper im Moment braucht. Gerade Schmerzpatienten haben häufig einen großen Leistungsanspruch. Sie wahren oder kennen ihre Grenzen oft nicht.

Was erleben Teilnehmerinnen und Teilnehmer?

Häufig berichten die Übenden, dass sie nach den Übungen besser am Boden liegen können und mehr Auflagefläche wahrnehmen. Der Boden wird nicht mehr als so hart empfunden. Die Qualität und der Härtegrad des Bodens haben sich durch die Eutonie natürlich nicht verändert, der Spannungszustand der Muskulatur und der Nervenanspannung allerdings schon! Die Übenden können sich besser an den Boden lassen. Nach der Eutonieeinheit werden Bewegungen häufig leichter und geschmeidiger erlebt, was eine Bereicherung für die Übenden darstellt.

Durch die Eutonie neue Bewegungsmöglichkeiten zu erleben, macht Freude und Mut, sich auf einen Prozess einzulassen. Dadurch werden Veränderungen bis hin zur Schmerzfreiheit möglich. Eutonie wird sowohl in Gruppen- als auch in Einzelstunden angeboten.

Probieren Sie es aus! Mehr Informationen finden Sie unter www.eutonie.de.

Traude Weindl

Traude Weindl

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