Die sensible Mitte: Wie die Psyche Magen und Darm beeinflusst

von | 3. November 2016

Die inneren Organe des Bauchbereichs reagieren empfindlich auf Störungen aller Art.

Nicht zuletzt ist es der Alltagsstress, der auf Magen und Darm schlägt und Beschwerden wie Sodbrennen, Übelkeit, Völlegefühl, Magenschmerzen, Durchfall und Verstopfung auslöst. Will man die Beschwerden an der Wurzel packen, müssen auch die psychischen Faktoren beachtet werden.

Ich muss das erst mal verdauen“, ,,Das ist mir auf den Magen geschlagen“ – es gibt eine ganze Reihe von Redewendungen, die einen Zusammenhang zwischen unseren Verdauungsorganen und der Seele herstellen. Was der Volksmund schon lange festgestellt hat, bestätigt auch die Medizin. Häufig lassen sich nämlich für chronische Magen- oder Darmprobleme keine organischen Ursachen feststellen, die Indizien weisen allerdings auf eine Beteiligung des so genannten ,,Bauchhirns“ hin.

Fehlsteuerung im ,,Bauchhirn“

Das Bauchhirn ist mit rund 100 Millionen Neuronen die größte Ansammlung von Nervenzellen außerhalb des Gehirns. Die Zelltypen, Botenstoffe und Rezeptoren dieses ,,enterischen Nervensystems“ sind denen unseres Zentralnervensystems sehr ähnlich. Da Kopf und Bauch in ständiger Verbindung stehen, erklärt dies auch, warum die Verdauungsorgane unsere Stimmung beeinflussen können. Umgekehrt wirken sich auch unangenehme Erlebnisse oder negative Gefühlslagen auf Magen und Darm aus. Die Wechselwirkungen sind vielfältig und zum Teil immer noch nicht hinreichend erforscht.

Das Bauchhirn funktioniert selbstständig und die Vorgänge unseres Verdauungssystems laufen normalerweise unbemerkt ab. Sie dringen erst dann in unser Bewusstsein, wenn sich Verdauungsprobleme wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung häufen. Der Grund sind gestörte Bewegungsabläufe und Verkrampfungen der Magen-Darm-Muskulatur. Hinzu kommt, dass Patienten mit chronischen Verdauungsproblemen eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit zeigen und beispielsweise sensibler auf Dehnungsreize im Darm reagieren als Gesunde. Das Resultat ist ein ,,schlechtes Bauchgefühl“, das auch die Empfänglichkeit für psychische Stressreize steigern kann. Ein sich selbst befeuernder Teufelskreis beginnt.

Der so genannte Reizmagen gehört zu den häufigsten Verdauungsbeschwerden, geschätzte 15 bis 25 Prozent der Bevölkerung leiden darunter, überwiegend Frauen. Typisch sind immer wieder auftretende Beschwerden im Magen wie Druck- und Völlegefühl nach dem Essen, ein rasch einsetzendes Sättigungsgefühl, Sodbrennen und Schmerzen im Oberbauch. Organische Ursachen werden beim Reizmagen genauso wenig festgestellt wie beim Reizdarm, dessen typische Symptome Schmerzen im Bauchraum, Blähungen und Veränderungen der Stuhlgewohnheiten sind. Teils kommt es bei den Patienten zu Verstopfung, anderen leiden unter Durchfall, nicht selten treten diese Beschwerden auch abwechselnd auf. Da die Symptome sehr vieldeutig sein können, müssen sie mit anderen Krankheitsbildern wie Nahrungsmittelunverträglichkeiten, beispielsweise gegen Milchzucker oder Gluten (Zöliakie), abgeglichen werden. Bei diesen kann man immerhin die Auslöser meiden, die Behandlung von Reizmagen und Reizdarm mit ihren psychischen Begleitfaktoren ist hingegen komplexer.

Psyche, Ernährung und Medikamente

Eine wichtige Maßnahme ist es, negativen Stress abzubauen und sich mit positiven Erlebnissen zu belohnen. Beruhigend und ausgleichend wirken beispielsweise körperbetonte Entspannungstechniken wie z. B. Yoga. Aber auch leichter Ausdauersport wie Nordic Walking oder Radfahren wirkt sich häufig besänftigend auf die verkrampfte Magen-Darm-Muskulatur aus. Sollten keine Nahrungsmittelunverträglichkeiten vorliegen, empfiehlt sich eine ausgewogene und fettarme Ernährung mit viel Getreideprodukten, Gemüse und Obst, dazu etwas seltener mit Fleisch, Fisch oder Eiern. Erfahrungsgemäß reicht jedoch eine gesündere Lebensführung allein nicht aus, um die Beschwerden abklingen zu lassen. Dazu ist eine zusätzliche medikamentöse Therapie erforderlich. Hier gibt es eine Reihe von sanften und schonenden Mitteln, die krampflösend wirken und die Funktion von Magen und Darm regulieren helfen

 

Schonende Mittel für Magen und Darm

Da es sich bei Reizmagen und -darm um chronische Verstimmungen handelt, die ursächlich schwer heilbar sind, ist der Gebrauch von Medikamenten oft der letzte Ausweg, um die Symptome zu lindern. Zum einen bewähren sich pflanzliche Arzneimittel: Extrakte aus Angelikawurzeln, Bitterer Schleifenblume, Fenchel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchten, Mariendistelfrüchten, Melissen- und Pfefferminzblättern, Schöllkraut und Süßholzwurzeln aktivieren und entspannen die Magenmuskulatur, regulieren die Magensäure und beugen Entzündungen vor. Sie können sowohl einzeln als auch in Kombination eingesetzt werden, was ihre Wirksamkeit noch verstärkt. Zum anderen gibt es Medikamente, die auf die Magensäuresekretion Einfluss nehmen. Anstelle der gängigen chemischen Protonenpumpenhemmer, die die Säureproduktion drosseln, kann man auch auf ein sanftes enzymatisch wirksames Mittel zurückgreifen, welches das Magenhormon Gastrin positiv stimuliert. Diese Schlüsselsubstanz der Verdauung sorgt dafür, dass zahlreiche Verdauungsprozesse koordiniert ablaufen.

Gegen Bauchschmerzen helfen krampflösende Substanzen wie Butylscopolamin, die das Andocken eines krampfauslösenden Botenstoffs blockieren. Bei chronischer Verstopfung sollte man vor Abführmitteln nicht zurückschrecken, sie sind besser als ihr Ruf. Indische Flohsamen verfügen über eine hohe Quellfähigkeit und binden Wasser im Darm. Dadurch wird die Darmmuskulatur auf natürlichem Wege angeregt, den Verdauungsbrei weiterzutransportieren. Gut verträglich sind auch Wirkstoffe wie Bisacodyl und Natriumpicosulfat, welche die Darmbewegung ankurbeln. Bei häufigem Durchfall sind Mittel zu bevorzugen, die den Darm nicht lahmlegen. Auch hier kommen Flohsamen in Betracht sowie medizinische Hefe.